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Einblicke/R(h)einblicke – Ein Rundgang


2002


Emmanuel van Stein





Auferstanden aus Ruinen: Die ebenso gewaltige wie filigrane Beton-Stahl-Skulptur »Schloss mit Grafenpaar« von Herbert Labusga ist das ideale Entree für diese üppige Ausstellung. Sinnfällig und fantasievoll verweisen das archaische Portal (in einer klaren formalen Reduktion) sowie das davor in seiner Bewegung erstarrte Fürstenpaar (eine kraftvolle Abstraktion) auf das versunkene Schloss. Als Zeichen der Wiedergeburt hat der 1939 in Oppeln geborene Künstler die Vertiefungen, die durch das Ausgraben der Formen entstanden sind (sie wurden mit Beton ausgegossen und die Positive per Kran aus der Erde geholt), im Boden belassen. Durch das Tor fällt der Blick des Betrachters auf Catharina de Rijkes »Pflaster«: Die 1957 in Rotterdam geborene Künstlerin hat auf einen in die Natur gestellten großformatigen Keilrahmen eine Leinwand mit 60 kleinen Bildern gespannt. Die Besucher konnten sie sich ausschneiden und sich so einen ganz persönlichen Blick auf den Rhein eröffnen.


»Durch das Tor fällt der Blick des Betrachters auf Catharina de Rijkes Pflaster:...«



Diese verspielte und oft sehr hintergründige Zwiesprache mit dem Betrachter gelingt den Künstlern im Stammheimer Schlosspark ein ums andere Mal. Armin Benson (Jahrgang 1938) wendet sich dabei nicht nur an den Flaneur, er betont die Verständigung auch unmittelbar in seinem Werk: Die „Kopfbrücke“, ein monumentales streng geometrisches Figurenpaar aus Gas Beton (schwarz die eine Gestalt, weiß die andere) mit einer verbindenden Stahlspange als Doppelkopf, beschwört die Toleranz über alle Grenzen hinweg. Bensons eindringliche Botschaft: Wer seinen Kopf gebraucht, macht keinen Unterschied zwischen Geschlechtern, Hautfarben und Kulturen. Derweil fordert Gerda Nettesheim, 1947 in Troisdorf geboren, ihr Publikum zum Mitmachen (das heißt: Mitspielen) auf: Ihre aufrechtstehende hölzerne »Klangskulptur« wurde, wie ein Musikinstrument mit Saiten bespannt. Bei dieser unmittelbaren Begegnung mit der Kunst ergibt sich wie von selbst eine kreative Performance. Nicht immer auf den ersten Blick Ge nach Standort) erkennt man das »Relief« von Manuela Krekeler-Marx: Die gebürtige Neusserin (Jahrgang 1959) hat ein großflächiges Drahtgewebe ähnlich einem Spinnennetz zwischen zwei Baumriesen gespannt. Die filigrane Arbeit erscheint wie ein Kirchenfenster ohne Glas: Wenn man sich auf die im Wind vibrierenden »Bleistege« konzentriert, erkennt man drei Figuren - eine reizvolle, weil in höchstem Maße erfinderische Komposition!

Geradeso, als lerne man neu oder anders zu sehen, sollte man beim Gang durch den Skulpturenpark die Augen überall haben und seinen Blick vom Boden bis in das Geäst der Bäume schweifen lassen. Dabei erblickt man dann, sofern die Natur ihr Terrain nicht inzwischen wieder gänzlich zurück­ erobert hat, im hohen Gras den »Renaissance-Garten« von Margret Schopka (Jahrgang 1943): Das mit Zementmörtel und künstlichen Rosen geformte Ornament stellt eine bodenständige Verbindung zum alten Schlossgarten her. Wer indes die jungen Linden der Schlosspark Allee genauer in Augenschein nimmt, erkennt eine originelle »Manipulation« von Ragna A. G. Sichelschmidt (1949 in Frankreich geboren): Die Künstlerin hat 22 Bäume mit den Bildern fremder Borken umwunden: Hier wird die Natur in ihrer unerschöpflichen Vielfalt so irritierend wie betörend dargestellt. Ähnliches bezweckt die Berliner Künstlerin Rosemarie Stuffer: Ihre an die Baumstämme montierten Miniaturen aus Ton und Stahlgewebe haben die gleiche Oberflächenstruktur wie die Rinde: Subtil wird auf die Verwandtschaft archaischer Grundmuster verwiesen.

Nahtlos ist im Park die Integration künstlerischen Schaffens in die Natur gelungen. So identifiziert man das »Ensemble Begrüßung« von Peter Nettesheim (Jahrgang 1945) vielleicht erst auf den zweiten Blick als kolorierte Holzfiguren: Wie zwei zufällige Passanten stehen Mutter und Kind auf dem Rasen und man versucht im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen, was hier vor sich geht. Als »work in progress« versteht Ulrike Oeter, 1948 in Köln geboren, ihr meditativ-sinnliches

»Wachstuch«: Auf Eisenstäbe spannt sich roter Filz, darauf wuchern Pflanzen - so wird der Blick auf die Natur durch die Fokussierung der Künstlerin noch geschärft. Vor allem als Provokation gedacht, fügt sich auch die Installation »Verbergen, Verbiegen, Verkrüppeln« von Brigitte Metzmacher (Jahrgang 1950) harmonisch in den Park ein: Die knallroten Geflechte aus Bambus, Sisal, Holz und Acryl, die so still unter einer Rotbuche hängen, gemahnen an die Burka, die traditionelle Kleidung der afghanischen Frauen und somit an deren Leiden unter den Taliban.

Besonders schön sind die vielgestaltigen Bezüge, die die Künstler immer wieder zur Historie des alten Schlossparks herstellen. Das »Hipparion« des Odo Rumpf (Jahrgang 1961) etwa - ein mit überschäumender Fantasie aus oxidierten Fundstücken und Stahlblechen montiertes Urpferd - spielt auf die Jagdszenen an, die die Menschen hier dereinst erleben konnten: Archäologie gedanklicher wie materieller Art. Und dann steht man plötzlich vor Dietrich Oehlers Blaubasalt­ Plastik »1 Feste Burg«: Der 1958 in Köln geborene Steinbildhauermeister krönt die mannshohe Stele mit einer Burg, eine auch formal-ästhetisch sehr reizvolle Arbeit, zumal man bei entsprechender Sonneneinstrahlung durch den Burg-Eingang den Hof erleuchtet sieht. Als mentaler Stolperstein erweist sich Stefan Nettesheims Holzskulptur »Welle«: Die auf der Basis eines lang gezogenen Rechteckes bearbeitete Robinie präsentiert uns der Künstler (Jahrgang 1973) als leicht gedrehte Welle, die mitten im Weg auf einem kleinen Hügel liegt und dort wundervoll stimmig auf die Landschaft Bezug nimmt.

»Stammheimer Häuser« thematisiert Gisela Groß (Jahrgang 1946) in ihren Acrylbildern auf Stahlblech, die an der Parkmauer der Witterung ausgesetzt und damit in den Park integriert werden. Mit dem nahen Rhein beschäftigt sich Margret Lippold (Jahrgang 1945) in ihren skurril-humorigen Figuren aus Metall, Pappmaschee und Draht: Es gibt wieder mehr Fische im Fluss und die schauen sich gleich mal im Park um.

Fasziniert verweilt man vor der „Wiedervereinigung“ von Walter Lippold (Jahrgang 1941): Der Kölner hat die Kirschholz-Torsen mittels Plexiglas-Verbindungen wieder zusammengefügt - formal perfekt und damit ein Genuss fürs Auge. Ähnliche Empfindungen lösen der »Große Torso« (Buche) - eine dynamisch-runde, fließend-elegante weibliche Figur von Horst Wolf (Jahrgang 1953) - und die »Tierbank-2001« von Lutz Kittler (Jahrgang 1947) aus; der Bildhauer und Veterinär lässt seine Basaltlava-Bank erfinderisch und im Gleichklang zwischen Stein und Wesenhaftem in tierischen Köpfen enden.

Bis nach Neuguinea reichen die Bezüge, die Friedel Engstenberg (Jahrgang 1933) mit seinem »Seelenfänger« herstellt: Durch einen Kastenraum »schweben« geometrische Gegenstände an Stahlrohren wie Netze in den Bäumen. Damit wird die lmaginationskraft des Betrachters genauso herausgefordert, wie in dem »Tryptichon« von Elke Schmidt (Jahrgang 1958), die in ihrer Installation aus Fichte und Kunststoff (mit Bildern etwa vom Waldsterben) auf Umweltzerstörungen verweist.

Eine »Brücke« vom Künstler zum Betrachter schlägt Maria Schätzmüller-Lukas (Jahrgang 1951) gleich im doppelten Wortsinn: Ihre zwischen zwei Bäume gespannte gläserne Hängebrücke (aus zahllosen filigranen Stegen montiert) ist gleichsam eine Einladung an den Spaziergänger, die flirrenden Gedanken Konstrukte der Künstlerin nachzuvollziehen. Die intelligente Glas-Licht-Installation wird dabei höchsten gestalteterischen Ansprüchen gerecht. Heiter kommt Michael Salges (Jahrgang 1952) »Tänzer« daher: Die gelbe Stahlskulptur - reduziert aufschwingende Linien - überrascht uns zwischen vier eng beieinanderstehenden Bäumen. Zweifellos: Der Stammheimer Schlosspark und seine Skulpturen sind ein Traum - auf den Erich Fritz (Jahrgang 1954) auf seine Weise reagiert: Hinter zwei großen Fenstern mit Butzeneinteilung hat der Kölner seine Digitaldrucke surrealistischer Traum- oder Luftschlösser gespannt.




Mark